Waldkauz
Der frühe Vogel — fängt den Wurm
Paschalis Dougalis im Porträt
Sein tägliches „Training“ findet in der Natur statt: im Tierpark, im Wald, am See. Es gibt keinen Tag, an dem er nicht zeichnet oder malt. Immer öfter hat er die Videokamera dabei, um auch das Verhalten und die Bewegungsabläufe der Vögel festhalten und studieren zu können. Er will sich immer verbessern, ist nie zufrieden mit dem, was er erreicht hat, will nicht stehen bleiben.
Die lllustrationen im KOSMOS Klassiker „Was fliegt denn da?“, der im Februar 2016 in Neuauflage erschienen ist, stammen allesamt aus seiner Hand.
„Was fliegt denn da?“ ist seiner Meinung nach deshalb so beliebt, weil alle in Europa beheimateten Vogelarten aufgeführt sind: mit Verbreitungskarten, Abbildungen und Kurzbeschreibungen. Das Format ist klein und handlich und passt in jede Jackentasche, zu einem günstigen Preis. Dougalis kennt keinen anderen Führer, der all diese Voraussetzungen erfüllt.
Paschalis Dougalis (Jahrgang 1970) ist in Kozani im Norden Griechenlands geboren und aufgewachsen. Von klein auf haben ihn das Zeichnen, die Tiere und die Natur fasziniert. Schon im Kindesalter entstanden seine ersten Kunstwerke.
Die Entdeckung eines englischsprachigen Vogelführers im Jahre 1992 war die Offenbarung für ihn. Von nun an dominieren Vögel sein Schaffen. Eine Buchserie über bedrohte Tierarten in Griechenland (1995) hat ihn schließlich als Buchillustrator etabliert. Seit 1997 lebt und zeichnet Paschalis Dougalis in München.
Sein Fokus liegt nicht allein auf der exakten Darstellung eines Tieres, sondern besonders darauf, dessen Charakter und Persönlichkeit einzufangen. Paschalis Dougalis wurde mehrfach ausgezeichnet: Silberner Uhu 2003 und Bird Illustrator of the Year 2001, 2002.
Neben diversen Ausstellungen, Projekten und internationalen Publikationen findet er sogar noch die Zeit, Erkundungsreisen für Vogelfreunde nach Griechenland zu begleiten.
Grieche, Deutscher und Europäer
Auf die Frage, wo er sich am wohlsten fühle, antwortet Paschalis Dougalis: Europa. Sein Zuhause aber sei seit nunmehr 18 Jahren München. Anpassungsprobleme hätte er nie gehabt, auch wenn er die Sprache erst lernen musste und sich anfangs mit Englisch durchgeschlagen hat.
Sein zweites Zuhause sei nach wie vor sein Elternhaus in Griechenland. Vom Gefühl her sei es dort anders, beschreibt er, vielleicht, weil er sich als Mitglied einer großen Familie fühle oder wegen der ersten Erlebnisse dort, die sein Leben prägten. Noch heute fährt er fast jedes Jahr nach Griechenland.
Selbst im Urlaub sind die Stifte immer mit dabei. Und damit sich die Familie nicht beschwert, steht er schon um 5 Uhr mit den Vögeln auf, wenn alle noch schlafen. Das sei die beste Zeit, meint er. Und wenn er danach zurückkomme, um gemeinsam zu frühstücken, dann hätte er schon was geschafft.
Der Porträtist
Paschalis Dougalis sieht sich als Porträtist. Für ihn spielt die Individualität, der Charakter des Einzelnen eine wichtige Rolle. Er haucht den Protagonisten Persönlichkeit ein.
Wir schauen ihm über die Schulter, wie er im Handumdrehen einen Raben zeichnet, der schon längst entschwunden war – einfach aus der Erinnerung. Beeindruckt werden wir Zeuge, wie dieser Rabe von Dougalis in seinem Skizzenbuch verewigt wird. Das geschieht innerhalb weniger Minuten mit einem einfachen Kugelschreiber – locker aus dem Stand.
Wie macht er das nur? Ist es Begabung oder Training? Hat er eine besondere Ausbildung?
Paschalis Dougalis kam nie in den Genuss von Zeichenunterricht. Bereits im Kindesalter zeigte sich aber sein großes Talent. Seine Mutter wurde darauf aufmerksam, als der Vierjährige Paschalis einen Spielzeughahn aus Plastik originalgetreu nachzeichnete. Alle Proportionen stimmten.
Voller Bewunderung befasste er sich schon als Kind mit der Renaissance und den alten Meistern – von Michelangelo bis Leonardo da Vinci – und versuchte, deren Werke zu kopieren. Immer geübter, verblüffte er in der Grundschule seine Mitschüler, da er bereits besser malte als der Lehrer. Später nutzten die Schulkameraden seine Begabung und baten ihn nach ihren Wünschen zu zeichnen.
Paschalis Dougalis war unentwegt auf der Suche nach Fachwissen. Bücher, die ihm das hätten vermitteln können, gab es in seiner Heimat Kozani nicht, jedoch im entfernteren Thessaloniki. Dort entdeckte er 1992 eine Fachbuchhandlung mit hochkarätigen Tierführern. Eine Offenbarung für den Autodidakten: Er kaufte sich seinen ersten Vogelführer. Seither haben ihn die Vögel nicht mehr losgelassen. Bis zum 22. Lebensjahr zeichnete er Landschaften, Säugetiere und Vögel. Es waren letztere, die ihn schließlich in ihren Bann zogen.
„Vielleicht liegt es an ihrer weiten Verbreitung oder an ihrer faszinierenden Lebensweise. Vielleicht daran, dass sie uns nahe sein und trotzdem jederzeit wegfliegen können“, sinniert Dougalis.
Er sieht sich nicht nur als Illustrator, sondern auch als Verhaltensforscher: „Je mehr ich lerne, desto mehr wächst mein Wissensdurst und desto klarer wird für mich, wie viel ich noch zu lernen habe. Das betrifft die Malerei und auch meine Entwicklung als Künstler: Ich befinde mich in einem Raum, es öffnet sich eine Tür, diese führt zum nächsten Raum, dort öffnet sich eine weitere Tür. Es gibt unendlich viele Räume und Türen, durch die ich gehen muss.“