Wie uns der Mond zum Urknall bringt
Der Mensch strebt nach den Sternen – mit diesem Bestreben wuchs gleichzeitig auch die Kreativität, um die Sterne vom Himmel und auf die Erde zu holen. Mit der Erfindung des Teleskops durch Hans Lipperhey um 1608 bzw. durch Galileo Galileis Weiterentwicklung wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der uns heute bis an die Grenzen des beobachtbaren Universums blicken lässt, fast 14 Milliarden Jahre in die Vergangenheit.
Auf dem Weg dorthin wanderten die Teleskope der Astronomen immer weiter von der Erde weg. Der Grund für diese Entwicklung ist eine logische Konsequenz der Entwicklung der Menschheit – wachsende Städte, die mit immer mehr Lichtern die Nacht zum Tag machen. Und so finden wir heutige Großteleskope in den trockensten Wüsten, auf hohen Vulkanen oder im ewigen Eis. Und sogar die Erdumlaufbahn wurde bereits von Astronomen erobert, um mit Weltraumteleskopen der störenden Erdatmosphäre zu entgehen. So befanden und befinden sich bis zum heutigen Tag insgesamt fast 50 Weltraumteleskope verschiedenster Funktionen und Aufgaben in der Erdumlaufbahn und sammeln/sammelten wertvolle Informationen über das Universum.
Derzeitige Planungen gehen einen Schritt weiter und bringen Astronomen zum Träumen: Teleskope auf der Rückseite des Mondes.
Während sich die globale Astronomiegemeinde derzeit schon auf der 50. Jubiläum der Mondlandung am 21. Juli 1969 vorbereitet, entwerfen Wissenschaftler bereits seit Jahrzehnten Pläne, wie sie astronomische Beobachtungen auf dem Mond durchführen können. Diese Pläne sind mit der zurzeit wieder einsetzenden Fokussierung der Raumfahrtmächte auf den Mond durchaus in greifbarer Nähe. Während die NASA eine feste Raumstation am Mond plant, spricht ESA-Chef Johann-Dietrich Wörner sogar von einem Mond-Dorf; in China wird fleißig an einer Mondbasis gearbeitet.
Und so scheint es, dass der Wettlauf zum Mond aus den 1960er-Jahren erneut entfacht wurde, wobei das Augenmerk jedoch klarer auf wissenschaftlichen Zwecken liegt.
Heino Falcke von der Radboud Universität Nijmegen ist einer der Vorreiter der lunaren Radioastronomie und erhofft sich durch die Platzierung eines Teleskops auf der Mondrückseite, eine bislang große Lücke im „Lebenslauf des Universums“ zu schließen. Der erste Schritt ist bereits getan: Ende 2018 wird die chinesische Sonde Chang’e-4 das erste radioastronomische Instrument zum Mond bringen, um grundlegende Tests durchzuführen. Doch Falcke träumt weiter: Der nächste Schritt und große Traum der lunaren Radioastronomen wäre ein Netzwerk aus Millionen kleiner Messantennen, die stationär auf der Mondrückseite befestigt werden sollen. Somit wäre ein im wörtlichen Sinne außerirdisches Pendant zum Low Frequency Array geschaffen, das derzeit mit 1000 Messstationen das größte Radioteleskop der Welt ist.
Und auch die Infrarotastronomie erhofft sich einiges: Während die Wärmestrahlung zum Großteil durch die Erdatmosphäre blockiert wird, müssen Weltraumteleskope derzeit noch aufwändig gekühlt werden, um Infrarotsignale zuverlässig zu empfangen. Im permanenten Schatten von Mondsüdpol-Kratern, in denen Temperaturen von gerade einmal 30 Kelvin (rund -243 °C) gemessen wurden, wäre dieses Problem beseitigt.
Während auch alle anderen Bereiche der Astronomie Pläne schmieden, wie sie den Mond nutzen könnten, werden sogar auch völlig neue Arten von Teleskopen diskutiert. Sogenannte Flüssigteleskope könnten zukünftig den Gebrauch von aufwändig geschliffenen Riesenspiegeln umgehen und mit Hilfe einer spiegelnden, in Rotation versetzten Flüssigkeit (z.B. Quecksilber) eine gebogene Spiegeloberfläche erzeugen.
Bei all der Euphorie werden allerdings auch kritische Stimmen laut, die einerseits die astronomischen Bedingungen auf dem Mond in Zweifel ziehen – u.a. wird der elektrisch geladene Mondstaub als großes Problem angesehen –, andererseits aber auch die generelle Notwendigkeit von lunarer Astronomie in Frage stellen. So schnitt die Astronomie sogar in einer Studie über das wissenschaftliche Potential verschiedener Forschungsrichtungen auf dem Mond eher mittelmäßig ab und musste sich der Geologie, Biologie und Medizin unterordnen.
