Wenn die Menschheit vom Podest fällt
Die Schreckensszenarien und Science-Fiction-Fantasien über einen Erstkontakt mit Außerirdischen sind vielzählig. Und doch beantwortet jeder einzelne von uns die Frage, wie er sich bei einem gesicherten Kontakt mit Aliens verhalten würde, anders. Das Spektrum reicht von totaler Ablehnung und Bekämpfung mit Waffengewalt über verhaltene Neugier bis hin zu freudiger Begrüßung auf unserem Planeten inklusive eines regen Kulturaustauschs.
So individuell die Reaktionen auch wären, für Machthabende und Politiker wäre es fatal, nicht die allgemeine Grundstimmung nach einem solchen Ereignis zu erkennen und darauf zu reagieren. Diese Grundstimmung wäre es auch, die darüber bestimmt, ob die Menschheit für sich einen Nutzen aus dieser Sensation ziehen würde und so untersuchte ein Forscherteam nun genau diese Frage: Wie würde die Menschheit auf die Nachricht von Aliens reagieren?
Unwichtig sind diese Fragen nicht: In Zeiten, in denen der technische Fortschritt beinahe täglich neue faszinierende Geräte, Algorithmen und Maschinen hervorbringt, halten es viele Wissenschaftler nur noch für eine Frage der Zeit, bis wir tatsächlich die Nachricht von Fremden aus dem All erhalten.
Professor Michael Varnum von der Arizona State University und ein Team von Wissenschaftlern aus dem Bereich der Psychologie gingen nun der Frage nach der allgemeinen Reaktion der Menschheit bei einem Erstkontakt auf den Grund. Dazu führten sie drei verschiedene Studien aus, in denen jeweils auf unterschiedliche Art und Weise die emotionale Reaktion der Probanden analysiert und verglichen wurde. Grund für gleich drei Studien zu diesem Thema war, so Varnum, dass es bisher keine systematische Herangehensweise gebe, um die Reaktion von Menschen auf solch ein Ereignis empirisch zu untersuchen.
Die erste dieser Studien nutzte daher eine Computersoftware, die die Texte von tausenden Zeitungsartikeln analysierte. Diese Artikel bezogen sich dabei alle auf drei potentielle Entdeckungen von extraterrestrischem Leben: ein Fund von Fossilien möglicher außerirdischer Mikroben aus dem Jahr 1996, die mysteriösen Helligkeitsschwankungen von Tabby’s Stern im Jahr 2015, die zeitweise auf eine künstlich errichtete Struktur im Orbit des Sterns zurückgeführt wurden, sowie die Entdeckung von erdähnlichen Exoplaneten in der habitablen Zone eines Sterns im Jahr 2017.
Bei der Analyse untersuchte die Software Zeigerworte für Gefühle, Emotionen und andere psychologische Reaktionen in den Artikeln. Auf diese Weise brachte die erste der drei Studien zu Tage, dass die benutzte Sprache und somit die Grundstimmung der Artikel durchweg sehr positiv war.
In einer zweiten Studie fragten die Wissenschaftler über 500 Probanden direkt nach ihrer Meinung. So sollten die Probanden aufschreiben, was sie denken, wie sie selbst und der Rest der Welt auf die Nachricht von außerirdischem mikrobiellem Leben reagieren würden. Und auch diese Studie fand heraus, dass die Worte, mit denen die eigene und weltweite Reaktion beschrieben wurde, durchweg mehr positiv als negativ war.
Für die dritte Studie wurden weitere 500 Probanden untersucht, die in zwei Gruppen geteilt wurden: Beide Gruppen wurden gebeten, ihre Reaktion zu einem The New York Times-Artikel niederzuschreiben, der sich auf eine wissenschaftliche Entdeckung bezog. Dabei handelte der Artikel, der Gruppe 1 gezeigt wurde, davon, dass menschliches Leben angeblich in einem Labor „nachgezüchtet“ wurde, während Gruppe 2 einen Artikel über einen Mars-Meteoriten, der mögliche erdfremde Mikroben enthielt, zu lesen bekam. Auch in dieser dritten Studie waren die Reaktionen – auf beide Artikel – deutlich positiver Natur.
Aus diesen Ergebnissen schließen Varnum und sein Team, dass es die Menschheit – entgegen vieler Sci-Fi-Abenteuergeschichten – gut verkraften würde, plötzlich nicht mehr die einzige Lebensform in den Tiefen des Universums zu sein.
