(Welt-)Wunder gibt es immer wieder
Die Pyramiden von Gizeh gehören zu den berühmtesten von Menschenhand erschaffenen Strukturen. Wenige Kilometer von der Stadt Gizeh, am westlichen Rand des Niltals, thronen die Pyramiden seit etwa 2550 v. Chr. und gehören zu den sieben antiken Weltwundern sowie seit 1979 zum UNESCO Weltkulturerbe.
Eine erste wissenschaftliche Erforschung der ägyptischen Monumente begann 1798/99 mit den napoleonischen Feldzügen nach Ägypten. Erste Ausgrabungen fanden jedoch erst über 60 Jahre später statt.
Unser heutiges Wissen über die Pyramiden von Gizeh ist einerseits zwar sehr umfangreich, andererseits blieben über die Jahrhunderte hinweg immer noch Fragen unbeantwortet. So wurde beispielsweise festgestellt, dass die Pyramiden einst mit hellen Kalksteinplatten verkleidet waren und als Grabmale für die Pharaonen Cheops, Chephren und Mykerinos dienten. In verschiedenen Forschungsunternehmungen wurden zudem die Kammern und Gänge im Inneren der Pyramiden untersucht. Dennoch brechen die Mythen rund um die ägyptischen Wahrzeichen nicht ab: Die exakte Ausrichtung der Pyramidenseiten nach den vier Himmelsrichtungen lässt einige Forscher zum Beispiel astronomische Zwecke vermuten. Erich von Däniken, umstrittener Vertreter der Pseudowissenschaft Prä-Astronautik, äußerte sogar die Vermutung, die Pyramiden wären im Auftrag von Außerirdischen erbaut worden.
Eine ganz andere Verbindung zwischen Himmel und Erde machte sich nun eine internationale Forschergruppe um Kunihiro Morishima der Nagoya Universität zunutze: Sie verwendeten die Methode der Myonenradiografie. Dabei werden Myonen – sehr kurzlebige Elementarteilchen, die in manchen Eigenschaften den Elektronen ähneln und durch Kollision von kosmischer Strahlung mit Luftmolekülen entstehen – auf die gleiche Art und Weise wie Röntgenstrahlen eingesetzt. Diesen Teilchen ist es möglich, Gestein zu durchdringen, wobei sie allerdings absorbiert oder gestreut werden. Die Analyse der Myonenmenge und -richtung kann dann bezüglich vorhandener Hohlräume oder sonstiger Strukturen analysiert werden.
Mit Hilfe von speziellen Detektorplatten, die das Forscherteam unter der Königskammer und der Großen Galerie der Cheops-Pyramide platzierte, wurde so das Innere der Großen Pyramide durchleuchtet – mit erstaunlichem Ergebnis!
Die Daten des Morishima-Teams weisen eindeutig darauf hin, dass sich oberhalb der Großen Galerie ein Hohlraum befindet und werden von zusätzlichen Messungen gestützt.
Über die Funktion dieses bisher unentdeckten und offenbar fast 30 Meter langen Hohlraumes herrscht jedoch bislang Ahnungslosigkeit. Da er sich allerdings offenbar mit der Großen Galerie überlappt, gehen einige Wissenschaftler davon aus, dass es sich um eine nochmals unterteilte Kammer handelt, die zur Kraftumlenkung oder aus anderen statischen Zwecken in die Pyramide eingebaut wurde.
Da die Genauigkeit der bei den Messungen entstandenen Abbildungen des Inneren jedoch eher gering ist, muss die Beantwortung einiger Fragen auf zukünftige Untersuchungen verschoben werden: Liegt der Raum waagerecht oder ist er geneigt? Ist es ein einzelner Hohlraum oder mehrere? Dennoch sind sich die Forscher sicher, dass der Hohlraum absichtlich von den antiken Erbauern errichtet wurde und erhoffen sich anhand weiterer Myonen-Daten schärfere Bilder.
Dieses Beispiel macht erneut deutlich: Wissenschaft bringt zunächst immer erst neue Fragen und motiviert dann die Menschen, diese auch zu beantworten. Und so ist es möglich, dass uns auch heute noch ein 4500 Jahre altes Bauwerk verblüfft, fasziniert und in unserem Forscherdrang vorantreibt.
