Wenn das Bärtierchen stirbt
Unsere Erde ist heute eine – im rein astronomischen Sinne – äußerst friedliche blaue Perle.
Abgesehen von den jährlich rund 20.000 Meteoriten, die den Weg durch die Erdatmosphäre überstehen und den Erdboden ohne auffällige Spuren erreichen, haben in den letzten Jahrmillionen keine Objekte aus dem All die Entwicklung auf der Erde gestört. Dieser Ungestörtheit ist es zu verdanken, dass sich das Leben bis zu unserem heutigen Stand entwickeln konnte.
Dennoch ist die Erdgeschichte auch eine Geschichte heftiger Impacts und Kollisionen, die einerseits zur Gestalt des Planeten, andererseits auch zu seinem Klima und der Entwicklung von Leben beigetragen haben. So lassen sich nicht nur drastische Klimaveränderungen auf Asteroideneinschläge zurückführen, sondern beispielsweise auch das Massensterben vieler Arten vor etwa 66 Millionen Jahren.
Aufgrund der teils verheerenden Folgen, die ein Einschlag eines großen Asteroiden mit sich bringt, wurde die Bedrohung durch einen Himmelskörper offiziell zu den planetaren Verteidigungsplänen hinzugefügt, sodass Abwehrmaßnahmen mit staatlicher Förderung erarbeitet werden konnten. So wurden neben einer ständigen Überwachung und diversen Frühwarnsystemen insgesamt vier verschiedene Hauptmethoden erarbeitet, mit denen Asteroiden, die auf Kollisionskurs mit der Erde sind, abgelenkt werden sollen. Diese umfassen neben einer langsamen Ablenkung mittels Reflektoren (ein Sonnensegel konzentriert Sonnenstrahlung auf einen Teil des Asteroiden, wodurch Materie verdampft; der entstehende Rückstoß könnte Himmelskörper mit bis zu 500 Metern Durchmesser ablenken) auch die Ablenkung mittels Schwerkraft (ein tonnenschwerer Satellit begleitet den Asteroiden und lenkt ihn so über Jahre hinweg auf eine andere Bahn). Ist hingegen wenig Zeit und besteht eine unmittelbare Bedrohung durch einen sich nähernden Asteroiden soll zukünftig das Abwehrprojekt "Don Quijote" der ESA zur Verfügung stehen. Dieses umfasst zwei Sonden, von denen eine den Asteroiden rammen soll und ihn so leicht ablenkt, während die zweite Sonde Daten über den Erfolg der Ablenkung usw. sammelt. Laut ESA sollen so bis zu einen Kilometer große Brocken abgelenkt werden können.
Während eindrucksvolle Sprengungen von Asteroiden wohl auch in Zukunft Stoff für Hollywood-Filme bleiben, wird als letzte Möglichkeit die Ablenkung durch eine nukleare Explosion wissenschaftlich untersucht. Dabei könnte eine Nuklearwaffe in geringer Entfernung zum Asteroiden zur Explosion gebracht werden. Die dadurch freigesetzte Strahlung würde dann schlagartig Oberflächenmaterie zum Verdampfen bringen, wodurch sich ein Druck aufbaut, der den Körper letztendlich ablenkt. Während die anderen Methoden nur entweder über viele Jahre oder Jahrzehnte hinweg oder bei vergleichsweise kleinen Asteroiden angewendet werden könnten, bietet die nukleare Ablenkung somit eine vergleichsweise spontane Einsatzmöglichkeit.
Wie groß jedoch ein solcher Himmelskörper tatsächlich sein müsste, um das Leben auf der Erde komplett zu vernichten, untersuchte eine kürzlich veröffentlichte Studie. Dabei ermittelten die Forscher der Universitäten in Oxford und Harvard, dass es einen Impaktor von der Größe eines Zwergplaneten bräuchte, um tatsächlich nicht nur die Menschheit auszulöschen, sondern auch den kompletten Planeten zu sterilisieren. Die dazu benötigte Energie von 6 x 1026 Joule brächte alle Ozeane der Erde zum Sieden.
Da in der Studie davon ausgegangen wurde, dass keine Form von Leben nach dem Einschlag mehr vorzufinden ist, zogen die Forscher außerdem einen erstaunlichen Referenten hinzu: das Bärtierchen. Bei diesen maximal einen Millimeter großen, achtbeinigen Tieren handelt es sich um wahre Überlebenskünstler. Fähig zur Kryptobiose können sie sich nämlich in einen todesähnlichen Zustand versetzen, in dem sie selbst extremste Umweltbedingungen überleben können. Tests zeigten, dass sie neben Trockenheit, Temperaturextremen, hohem Salzgehalt, Druck oder Strahlung selbst das Vakuum des Weltalls unbeschadet überstehen können.
Auch wenn die Gefahr von Asteroideneinschlägen nie unterschätzt werden darf: Die Wahrscheinlichkeit auch das letzte Bisschen Leben von der Erde zu löschen und selbst die nahezu unzerstörbaren Bärtierchen zu überwinden, ist also deutlich geringer, als uns Hollywood oder nervöse Forscher glauben machen wollen.
