Bald schon zehn Planeten?
Schon seit den 1930er-Jahren geistert der Begriff des sogenannten „Transpluto(s)“ durch die Astronomie. Damit ist ein hypothetischer (damals noch) zehnter Planet des Sonnensystems gemeint, der hinter der Umlaufbahn von Pluto zu finden sein soll. Seit den 80er-Jahren spricht man stattdessen von „Planet X“, wobei das X sowohl für die römische Zahl 10 steht, als auch ein Symbol für das Unbekannte darstellt.
Da sich alles im Universum mehr oder weniger gegenseitig beeinflusst, verwundert es nicht, dass es eine gängige Methode der Astronomie ist, das Verhalten eines Körpers zu analysieren, um auf einen weiteren Körper zu stoßen bzw. diesen neu zu entdecken. Nachdem bereits die Existenz von Neptun durch Bahnanalysen des Uranus vorhergesagt worden war, bemerkte Percival Lowell bald, dass auch dessen Bahn beeinflusst wird. So begann er mit der Suche nach einem sogenannten Transneptun, um die Abweichungen in den Bewegungen von Uranus und Neptun zu erklären. In seinem 1894 gegründeten Lowell-Observatorium suchte er bis 1915 nach diesem unbekannten Körper. Schließlich gelang es Clyde Tombaugh 1930, einen vergleichsweise großen, bisher nicht entdeckten „Planeten“ zu finden – Pluto. Schon bald nach Plutos Entdeckung erkannte man jedoch, dass er zu klein ist, um Neptuns Bahn derart zu beeinflussen; die Suche eines Transplutos begann.
Neuste Bahnanalysen von Kuipergürtelobjekten bieten nun Raum für neue Spekulationen eines womöglich gar zehnten Planeten. Der Kuipergürtel ist ein flacher Ring aus Tausenden Objekten, der sich hinter Neptuns Bahn erstreckt (Abstand zur Sonne etwa 30-50 AE). Er enthält mehr als 70.000 Objekte, die Kuiper Belt Objects (KBO) genannt werden. Da es jedoch bisher keine direkten Hinweise auf einen weiteren großen Körper hinter Pluto gibt, nutzen Astronomen auch hier die Methode der Bahnanalyse. Auf diese Weise stellten Kathryn Volk und Renu Malhotra von der University of Arizona die These auf, dass es neben Planet X womöglich noch einen Körper geben könnte.
Während die neusten Studien zu Planet X besagen, dass in etwa 700 AE zur Sonne ein Körper mit der 10-fachen Erdmasse existieren muss, bezieht sich die Analyse von Volk und Malhotra auf den Bereich zwischen Kuipergürtel und Planet X. Ihre Daten stammen aus der hinteren Grenzregion des Kuipergürtels und zeigen deutlich eine Beeinflussung der Objektbahnen. Während nämlich der Großteil der KBOs in einer Ebene um die Sonne zieht, zeigen sich in etwa 50 AE Sonnenabstand deutliche Abweichungen. Dortige Objekte bewegen sich auf Bahnen mit einer Neigung von bis zu acht Grad zu den restlichen KBOs. Diese Neigung, so Volk, könne nur durch einen weiteren Planeten in relativer Nähe zu den KBOs erklärt werden. Erste Modelle legen nahe, dass es sich um einen Himmelskörper handelt, der etwa die Masse unseres roten Nachbars Mars hat. Vorstellbar ist, dass dieser aus dem Inneren des Sonnensystems stammt und durch gravitative Einflüsse der restlichen Planeten nach außen getragen wurde.
Ob es tatsächlich neben dem ebenfalls unbekannten neunten Planeten noch einen zehnten gibt, müssen weitere Analysen klären. Kritische Stimmen behaupten schon jetzt, dass ein derart großes und somit helles Objekt unmöglich so lange unbemerkt geblieben wäre. Aufklärung könnte OSSOS bringen, die Outer Solar System Origins Survey, mit deren Hilfe Tausende von KBOs beobachtet werden.
Im unwahrscheinlichen Idealfall hätten wir somit also statt acht plötzlich zehn Planeten in unserem Sonnensystem – Wie dann wohl der Merkspruch lauten würde?
