Wenn der Tag zur Nacht wird
Sonnenfinsternisse sind seit jeher faszinierende Ereignisse. Wenn es mitten am Tag plötzlich dunkel wird und die Tiere verstummen legt sich eine einmalige und mystische Atmosphäre über die Umgebung.
So wundert es nicht, dass diese Himmelsspektakel auch frühe Kulturen in ihren Bann zogen. Die ersten schriftlichen Schilderungen einer Sonnenfinsternis stammen aus einer Zeit von vor etwa 5000 Jahren. Mit einem Baujahr von etwa 3300 v. Chr. belegt die Megalithanlage Loughcrew Cairn in Irland zudem, dass bereits zu dieser Zeit Anlagen zur Himmels- und v.a. Sonnenbeobachtung geschaffen wurden. In Stein geritzte Petroglyphen dieser Anlage zeigen spiralförmige Formen, die eine Sonnenfinsternis darstellen könnten, die sich im Zeitraum des Erbauungsjahres ereignete.
Auch andere Kulturkreise beobachteten den Himmel – teils sogar mit systematischer Routine und entsprechend genauen Aufzeichnungen. So wurden viele Himmelsereignisse von antiken chinesischen Hofastronomen für die Nachwelt festgehalten. Vor allem Sonnen- und Mondfinsternisse hatten im antiken China große Bedeutung. In ihnen sahen die Astronomen Zeichen der Zukunft ihres Herrschers und sagten so das Schicksal des Landes voraus. Laut chinesischer Überlieferung fraß während einer Sonnen- bzw. Mondfinsternis ein himmlischer Drache das Licht der Sonne oder des Mondes. Daher bedeutet die Bezeichnung „shi“, mit der eine Finsternis betitelt wurde, ebenfalls „fressen“. Mit lauten Trommeln wurde dann versucht, den himmlischen Drachen wieder zu vertreiben und das Licht der Sonne zurückzugewinnen. Versäumten es die Hofastronomen jedoch, eine Finsternis vorherzusagen, drohte die Enthauptung der Himmelsbeobachter, wie ein Beispiel des Herrschers Chung K’ang (2159-2146 v. Chr.) zeigt.
Im antiken Griechenland stellten Finsternisse auch immer eine Inspiration für Dichter und Denker dar, wie der Poet Archilochos zeigt. Um die totale Sonnenfinsternis vom 6. April 647 v. Chr. zu beschreiben, bediente er sich der Göttermythen. So war es laut Archilochos kein geringerer als der griechische Gottvater Zeus, der den Tag zur Nacht machte und Furcht unter den Menschen aufkommen ließ. Von der Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v. Chr. – die angeblich von Thales von Milet vorhergesagt wurde – wird zudem behauptet, sie sei der Anlass des Friedens zwischen Lydern und Medern gewesen. Der griechische Astronom Ptolemäus hielt seine Finsternisbeobachtungen im Almagest, eines der Hauptwerke der antiken Astronomie, fest. Darin finden sich neben genauen Zeichnungen zur Vorhersage auch detaillierte Berechnungen zu den Bewegungen von Erde, Mond und Sonne.
Im Laufe der Jahrhunderte entdeckten Forscher zudem die Möglichkeiten, mit Hilfe von Finsternissen sonst nicht sichtbare Phänomene zu untersuchen. So berichtete Firmicus 334 n. Chr. als erster schriftlich von Protuberanzen während einer Finsternis, während im Jahr 968 erstmals die Korona beschrieben wurde.
Eine der bedeutendsten Sonnenfinsternisse der Moderne ist unbestritten die vom 29. Mai 1919. Nachdem Albert Einstein im November 1915 seine Allemeine Relativitätstheorie (ART) vorgestellt hatte, gelang es Arthur Eddington nur vier Jahre später, eine Voraussage der ART zu bestätigen. Mit Hilfe eines Experimentes auf der westafrikanischen Vulkaninsel Príncipe bestätigte Eddington die gravitative Ablenkung von Licht. Dabei kam ihm zugute, dass die Sonne Ende Mai im Sternhaufen Hyaden steht und er so die einzelnen Lichtpunkte gut mit Aufnahmen ohne davorstehende Sonne vergleichen konnte.
