Hinterm Horizont geht´s weiter
Dieses Vorhaben könnte das Wissen über Schwarze Löcher revolutionieren: Durch eine virtuelle Zusammenschaltung der Radioteleskope in aller Welt wollen Astronomen versuchen, erstmals eine Aufnahme eines Schwarzen Lochs zu machen.
Unter dem Namen „Event Horizon Telescope“ ist es das langfristige Ziel der Forscher, die direkte Umgebung dieser rätselhaften Singularitäten mit einer bislang unerreichten Auflösung zu beobachten. Erstes Objekt soll dabei das Schwarze Loch Sagittarius A* sein, das sich im Zentrum unserer Milchstraße befindet und an dessen Ereignishorizont beschleunigte Gas- und Staubpartikel leuchten. (Das Bild zeigt das Zentrum unserer Milchstraße mit der ungefähren Position des Schwarzen Lochs.) Da ein Schwarzes Loch aufgrund seiner enormen Masse jedwedes Licht an sich bindet und nicht mehr abgibt, ist es nicht möglich, dieses Gebilde direkt zu beobachten. Vielmehr ist der Ereignishorizont als „Grenze“ des Schwarzen Lochs zu untersuchen; Ereignisse jenseits dieser Grenze sind für uns nicht sichtbar. Der Radius eines dieses Horizontes wird bei unveränderlichen Schwarzen Löchern Schwarzschild-Radius genannt.
Besonders interessant für Astronomen sind die Effekte, die an einem solchen „Rand“ eines Schwarzen Lochs zu erwarten sind. So wird beispielsweise Licht aus der Umgebung rotverschoben. Dabei wird die Wellenlänge gewissermaßen gedehnt und die Frequenz des Photons wird in Richtung des roten und energiearmen Teils des Lichtspektrums verschoben. Je näher sich die Lichtquelle/das Photon dabei am Schwarzen Loch befindet, desto größer ist diese Rotverschiebung. Spannend ist, dass am Ereignishorizont selbst die Rotverschiebung unendlich groß wird.
Ein weiterer faszinierender Effekt ist, dass es für einen außenstehenden Beobachter so scheint, als würde sich ein ins Loch fallendes Teilchen dem Ereignishorizont unendlich langsam annähern. Dabei spricht man von einer asymptotischen Annäherung, da das Teilchen aus Sicht des Beobachters nie den Horizont erreichen wird. Befindet sich der Beobachter jedoch selbst im Fall in das Schwarze Loch, vergeht keine unendlich lange Zeit, bis er den Ereignishorizont erreicht. Er überschreitet aus seiner Sicht nach einer endlich langen Zeit den Horizont und tritt in das Zentrum der Singularität ein. Dabei wird er jedoch selbst nicht feststellen können, wann er die Grenze des Lochs überschritten hat, da der Ereignishorizont für ihn keine materielle oder gegenständliche Barriere darstellt.
Nach über 20 Jahren Arbeit soll nun der nächste Schritt in der Erforschung Schwarzer Löcher unternommen werden. Unter Teamleiter Sheperd Doeleman vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics werden Teleskope in Nord- und Südamerika, Europa, auf Hawaii und sogar in der Antarktis gekoppelt, um unser zentrales Schwarzes Loch im Wellenlängenbereich von 1,3 Millimetern zu untersuchen. Nach Auswertung der Daten ist dann im Jahr 2018 ein erstes Bild zu erwarten.
Mit der Erforschung und dem Abbilden von Sagittarius A* erhoffen sich die Astronomen, das Keine-Haare-Theorem zu untersuchen. Dieses besagt vereinfacht, dass Schwarze Löcher bis auf ihre Masse, ihren Drehimpuls und die elektrische Ladung keine Informationen preisgeben und sie sich deshalb für uns in ihrem „Aussehen“ gleichen wie kahlgeschorene Soldaten (nach John Archibald Wheeler). Auch der Hypothese des sogenannten „kosmischen Zensors“ von Roger Penrose soll nachgegangen werden. Dieser stellte sich in Folge der Allgemeinen Relativitätstheorie die Frage, ob es auch „nackte Singularitäten“ gibt – Schwarze Löcher ohne Ereignishorizont.
Mit einer Masse von vier Millionen Sonnenmassen befindet sich Sagittarius A* in etwa 26.000 Lichtjahren Entfernung. Sein Durchmesser von 23 Millionen Kilometern entspricht dabei ungefähr der Hälfte des Abstandes von Merkur zur Sonne.
Der Countdown zur ersten Aufnahme eines Schwarzen Lochs hat somit begonnen und die Konsequenzen für unser kosmologisches Wissen werden revolutionär sein.
