Die Energie von 500 Millionen Sonnen
Sie sind selten, rätselhaft und beschäftigen Astronomen weltweit seit über zehn Jahren: Schnelle Radioblitze (fast radiobursts, FRBs). Diese extrem energiereichen Radiostrahlungsausbrüche gehören zu den modernen Mysterien der Wissenschaft, da ihre genaue Ursache bis heute nicht geklärt werden konnte. Nachdem 2007 zufällig der erste dieser Blitze in Archivdaten entdeckt wurde, suchen Wissenschaftler fieberhaft nach Erklärungen. Doch mit insgesamt nur 26 bisher registrierten Ausbrüchen, fällt es derzeit noch schwer, der Natur der FRBs auf den Grund zu kommen. So entstanden im Laufe der Zeit die verschiedensten Theorien, woher schnelle Radioblitze kommen könnten – von eruptiv veränderlichen Sternen, über verdampfende Schwarze Löcher und schwingende kosmische Strings aus der Anfangszeit des Universums, bis hin zu außerirdischen Technologien, die die Strahlung als Antrieb nutzen könnten. (Im Artikel vom 17. März 2017 finden Sie alle Informationen zu diesem Thema:
Wie kürzlich bekannt wurde, könnte sich dieses Durcheinander an Theorien nun etwas lichten.
Der Fleißarbeit von Paul Scholz, Student der McGill University Montreal, unter der Leitung von Shami Chatterjee, ist es zu verdanken, dass eines der vergangenen Radioblitz-Signale noch einmal genauer untersucht wurde. Scholz analysierte Daten des sogenannten Spitler-Ausbruchs, der 2012 von Laura Spitler in Daten entdeckt wurde. Nach einer bereits zwei Jahre andauernden Untersuchung der Spitler-Daten entdeckte Scholz im November 2015 eine Unregelmäßigkeit: Er stieß überraschend auf eine Wiederholung des Signals – und somit auf eine unerwartete Wiederholung des Ausbruchs. Denn so wenig man derzeit auch über FRBs weiß; dass sie sich an einem Ort wiederholen, galt bisher als ausgeschlossen. Und so kam erneut die Frage auf, welches Objekt dazu in der Lage ist, nicht nur einmal, sondern gleich zweimal die Energie von 500 Millionen Sonnen abzustrahlen.
Und so wurde das Very Large Array (VLA) in New Mexico auf die Region des Spitler-Ausbruchs gerichtet, um sie abzuscannen und eventuell einen dritten Ausbruch zu entdecken. Eine zunächst zehnstündige Beobachtungskampagne brachte jedoch keinen Erfolg. Auch eine zweite, nun 40-stündige Beobachtung erbrachte keine Ergebnisse. Doch aller guten Dinge sind drei und so wurde im dritten Anlauf tatsächlich ein dritter Radioblitz in der Spitler-Region entdeckt. Und damit nicht genug: Während dieser dritten Beobachtungszeit traten insgesamt noch acht weitere Ausbrüche dieser Quelle auf!
Mit Hilfe dieser unerwartet häufigen Wiederholungen war es nun auch möglich, die Strahlungsquelle genauer zu lokalisieren und auf eine irreguläre Zwerggalaxie in über drei Milliarden Lichtjahren Entfernung zurückzuführen.
Bei einer Tagung im Februar 2017 wurde schließlich offiziell über die Ursache der neuen FRBs diskutiert, wobei schnell Einigkeit darüber herrschte, dass Magnetare – stark magnetisierte Neutronensterne und Überreste von Supernova-Explosionen des Typs I – die wahrscheinlichste Quelle der Ausbrüche sind. So könnten die extrem häufigen Wiederholungen durch eine den Magnetar umgebende Gaswolke erklärt werden, die durch sein instabiles Magnetfeld immer wieder mit Energie „aufgepumpt“ wird und diese in extremen Stoßwellen freigibt. Ob diese Theorie der Wirklichkeit entspricht, müssen jedoch weitere Beobachtungen klären. Und obwohl mit den neuen Daten der Spitler-Region nun viele der alten Theorien verworfen wurden, wächst die Anzahl neuer Erklärungsversuche ständig weiter an. Auf lange Sicht könnte eine Klärung des Phänomens dabei helfen, die Materieverteilung im Universum zu erforschen – die geheimnisvolle dunkle Materie inbegriffen.
