Aus „Wow!“ wird „Naja…“?
„WOW!“ – ein Ausruf des Staunens und der Begeisterung. Weshalb ihn jemand äußern sollte, wenn er die Zeichenfolge „6EQUJ5“ sieht, erschließt sich zunächst nicht. Doch bei genauerer Betrachtung ist eine solche Reaktion keineswegs abwegig. Denn bei der Zeichenfolge handelt es sich um das – nach der Reaktion des Entdeckers benannte – „WOW!“-Signal. Am 15. August 1977 von Jerry R. Ehman entdeckt, handelt es sich um ein Schmalband-Radiosignal, das im Rahmen des SETI-Projektes vom Big Ear-Radioteleskop aufgenommen wurde. SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) ist ein 1960 ins Leben gerufenes Projekt, das mit Hilfe von Signalen im v.a. Radiobereich nach Anzeichnen technischer Zivilisationen im All sucht. Aufgrund der damals sehr begrenzten Speicherkapazitäten von Festplatten, mussten die Daten des Big Ear alle drei Tage ausgedruckt werden, um sie von den Speichern zu löschen und Platz für neue Daten zu machen.
Und so kam es, dass Jerry Ehman am 15. August 1977 die Ausdrucke analysierte und auf einen Ausschlag in den Daten stieß, der sich extrem vom sonstigen Hintergrundrauschen abhob. Diesen kreiste Ehman vor Überraschung rot ein und kommentierte ihn mit einem simplen „Wow!“. Die Zeichen, die ihn so erstaunten waren 6EQUJ5. Diese Abfolge setzt sich aus der Codierung der Daten zusammen, die die Intensität aufsteigend mit Zahlen von eins bis neun listet. Intensitäten über neun wurden mit den Buchstaben A bis Z wiedergegeben, wobei Z die höchste zu erwartende Intensität ist. Während sich das sonst detektierte Hintergrundrauschen in Einsen und Zweien äußerte, stellte 6EQUJ5 somit einen extremen Ausschlag dar, der von einem Intensitäts-Code „6“ bis „U“ (30-mal stärker als das sonstige Rauschen) anstieg und wieder auf „5“ abfiel. In Frequenzen übersetzt entspricht diese maximale Intensität 1420 Megahertz; das gesamte Signal dauerte insgesamt etwa drei Minuten an.
Drei Minuten – und dann Stille für 40 Jahre. Denn eine Wiederholung des Signals wurde nicht registriert. Und so tappten Astronomen weltweit im Dunkeln, woher das Signal stammen könnte und ob es eine Botschaft mit sich führte.
Neueste Forschungen von Antonio Paris vom Center for Planetary Science konnten nun jedoch Lichts ins Dunkel bringen. Erster Ansatzpunkt für den Astrophysiker war dabei die Frequenz von 1420 Megahertz – eine Emissionslinie des Wasserstoffs, die auch als 21-Zentimeter-Linie bekannt ist. Sie ist universell und eine der wenigen Konstanten im Universum, die jeder technischen Zivilisation bekannt sein sollten. Paris und sein Kollege Evan Davies schlugen jedoch eine andere – deutlich weniger spektakuläre – Erklärung vor. Ihrer These nach waren nämlich im August 1977 gleich zwei Kometen im Sichtfeld des Big Ear-Teleskops.
Einer der beiden verdächtigen Kometen soll demnach der Komet 266P/Christensen sein, der andere P/2008 Y2 (Gibbs). Um seine Vermutung zu belegen, beobachtete Paris drei verschiedene Kometen (u.a. 266P), wobei er entdeckte, dass bei jedem Kometen das Emissionssignal des Wasserstoffs detektierbar ist. Als Ursache dafür gilt die Freisetzung von Wasserstoff aus dem Kometeneis durch Sonnenstrahlung, sodass sich eine Gashülle um den Körper bildet.
Eine Rekonstruktion der Kometenbahnen erbrachte schließlich, dass beide Himmelskörper 1977 durch das Sichtfeld des Big Ear liefen.
Auch wenn es oft die einfachsten Erklärungen sind, die rätselhafte Phänomene entzaubern, gibt es doch kritische Stimmen zu Paris‘ Theorie. So steht zum Beispiel in Frage, ob Kometen überhaupt genug Wasserstoff freisetzen, um ein entsprechend starkes Signal auf der Erde messbar zu machen. Auch die Frage, weshalb es nicht viel öfter schon derartige Ausschläge gab, blieb bisher ungeklärt.
Noch ist also eines der spannendsten Signale aus der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz nicht vollständig entmystifiziert und hält die Neugier lebendig.
