GAIAs astronomischer Meilenstein
Für Astronomen, Astrophysiker, Kosmologen und Sternforscher aller Art war der 25. April 2018 wohl so etwas wie ein zweites Weihnachten: An diesem Tag wurde der zweite Datensatz des GAIA-Weltraumteleskops veröffentlicht, wodurch astronomische Forschung in einer noch nie dagewesenen Präzision möglich wurde.
Gesammelt wurden die Daten vom GAIA-Weltraumteleskop der ESA, das am 19. Dezember 2013 startete. Seither befindet sich das Globale Astrometrische Interferometer für Astrophysik – so das entschlüsselte Akronym – im Orbit um den sogenannten Lagrange-Punkt L2. In diesem zweiten von insgesamt fünf Lagrange-Punkten des Systems Sonne–Erde werden die Gravitationskräfte der beiden schweren Körper (Sonne und Erde) durch die Zentrifugalkraft aufgehoben, sodass ein vergleichsweise leichter Körper (z.B. eine Sonde) den massereicheren Körper antriebslos umkreisen kann. L2 liegt auf der Verbindungslinie Sonne–Erde etwa 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde und läuft in festem Abstand mit der Erde um die Sonne. Durch die geschickte Wahl der Bahnform konnte gewährleistet werden, dass GAIA mindestens sechs Jahre lang nicht in den Halbschatten der Erde eintritt, wodurch ein ungestörter Blick ins All ermöglich wurde. In ihrem Orbit führt die GAIA-Sonde hochpräzise 3D-Durchmusterungen des Himmels durch, wobei Objekte mit Magnituden zwischen drei und 20 erfasst werden.
Mit der Veröffentlichung des GAIA Data Release DR1 am 14. September 2016 drangen erstmals Daten der Sonde an die Öffentlichkeit, die innerhalb der ersten 14 Monate Beobachtungszeit gesammelt wurden. Infolgedessen war es möglich, die Position und Magnitude für eine Milliarde Sterne zu katalogisieren, wobei 400 Millionen Sterne niemals zuvor erfasst waren. Weiterhin konnten die Positionsdaten (unter Verwendung der Ergebnisse der Vorgängermissionen HIPPARCOS und Tycho) von mehr als zwei Millionen Sternen ermittelt werden. Neben u.a. knapp 600 Cepheiden und über 2000 Quasaren konnte GAIA außerdem in der benachbarten Galaxie M 33 (Dreiecksnebel) bis zu 40.000 der hellsten (von insgesamt über 40 Milliarden) Sterne katalogisieren.
All diese unvorstellbaren Zahlen wurden jedoch in den Schatten gestellt, als die Auswertung des Datensatzes des GAIA Data Release DR2 begann. Basierend auf ausschließlichen GAIA-Beobachtungen aus der Zeit zwischen Juli 2014 und Mai 2016 stellt der DR2 einen eigenständigen Katalog dar (und keine Vervollständigung des DR1). Er beinhaltet rund 1,7 Milliarden Objekte unserer Milchstraße und deren Nachbarn und ermöglicht die Analyse von Eigenbewegung, Distanz und spektralen Informationen von etwa 1,3 Milliarden Sternen. Mit über 550.000 beobachteten Quasaren und ebenso etwa 550.000 variablen Objekten stiegen diese Objektanzahlen um das über 250- bzw. knapp 1000-Fache!
Mit den Daten des DR2 ist es den Forschern nun möglich, die bislang detaillierteste Karte der Milchstraße anzufertigen und dreidimensional erlebbar zu machen. Mit einer Genauigkeit, die laut ESA Director of Science Günther Hasinger vergleichbar ist, mit dem Auffinden einer Münze auf dem Mond, ermöglicht der DR2 einen enormen Schritt nach vorn und bringt auch der weltweiten astronomischen Gemeinschaft großen Nutzen. So beinhalten die Daten nicht nur Informationen über Helligkeit, Position, Farbe und Bewegung von Sternen, sondern werfen auch ein Auge auf Objekte im Sonnensystem: Über 14.000 bekannte Asteroiden wurden beobachtet, um ihre Bahnen vorauszusagen.
Vergleich zwischen DR1 und DR2
Antonella Vallenari vom Instituto Nazionale di Astrofisica (INAF), Italien, die stellvertretend für die Datenauswertung zuständig ist, spricht euphorisch davon, dass die neuen Daten so reichhaltig seien, dass sie von neuen aufregenden Ergebnissen geradezu angesprungen würde.
Wie vielfältig die Ergebnisse aus dem DR2 sind, kann weiterführend auf den Seiten der ESA nachgelesen werden. Unter Wer virtuell ins All reisen möchte, findet bei der ESA außerdem eine dreidimensional navigierbare Visualisierung der Milchstraße und allgemeine Informationen (einfach ins Video klicken und nach oben/unten/links/rechts fahren).