Die verlorene Nacht

Reklame, Zimmerlampen, Straßenlaternen – die Licht emittierende Diode (kurz: LED) ist aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Dabei begann ihre Geschichte bereits vor 110 Jahren! Im Jahre 1907 nämlich entdeckte der Engländer Henry Joseph Round, dass anorganische Stoffe unter elektrischer Spannung zum Leuchten gebracht werden können. Doch obwohl dieser Effekt in den Folgejahrzehnten mehrfach von verschiedenen Wissenschaftlern beobachtet wurde, geriet Rounds Entdeckung in Vergessenheit. Erst ab den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen der technische Fortschritt in der Halbleiterphysik enorm zunahm, wurde sich dem Thema der Lichtemission durch Halbleiter wieder mehr zugewandt. Die genauere Untersuchung brachte schließlich 1962 die erste Lumineszenzdiode hervor, die der Amerikaner Nick Holonyak entwickelte – der Beginn einer wahren Lichtrevolution.
Und so verwundert es nicht, dass LEDs heute die Glühlampe immer mehr ablösen; nicht zuletzt, da die LED-Technik deutliche Vorteile bietet: Mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von 18.000 Stunden übersteigt die LED die Halogen-Glühlampe um das Neunfache. Diese muss nach durchschnittlich 2000 Stunden ausgewechselt werden, wodurch wiederum Kosten anfallen. Zudem können LEDs durch ihre hohe Effizienz punkten: Während eine Halogen-Lampe etwa 18 Lumen pro Watt abgibt, können effiziente LEDs in Leuchtstofflampen mit bis zu 104 Lumen pro Watt aufwarten. (Ein Lumen, lateinisch für Licht, ist dabei die Einheit des Lichtstroms.) Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Leuchtdiode ist, dass sie ohne Quecksilber auskommt und somit Schäden für Natur und Gesundheit vermeidet.
Doch trotz all dieser nicht unerheblichen Vorteile, bezeichnen Wissenschaftler – allen voran die Astronomen – den wachsenden Einsatz von LEDs auch als Fluch. Denn die günstige Verfügbarkeit der Leuchtdioden sorgt dafür, dass diese in Massen eingesetzt werden – Städte werden zu wahren Lichtzentren, die Nacht wird zum Tag.
Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse einer Studie der International Dark Sky Association (IDA) zeigen nun genau, wie sich die Lichtemission zwischen 2012 und 2016 entwickelt hat – mit alarmierenden Aussichten. Gemeinsam mit NASA und NOAA untersuchten die Forscher mit Hilfe des Wettersatelliten Suomi NPP die Nachtseite der Erde. Dabei wurde das Visible Infrared Imaging Radiometer Suite Day-Night Band (kurz: VIIRS DNB)-Instrument des Satelliten genutzt, das als erstes nicht-militärisches Radiometer im Orbit der Erde stationiert ist. Mit seiner sehr hohen Auflösung ist das Instrument in der Lage, die Beleuchtungsintensität einzelner stadtviertelgroßer Gebiete zu unterscheiden.
Das wenig überraschende, aber dennoch bedenkliche, Ergebnis der Studie lautet: Unsere Nächte sind bedroht. So hat im Untersuchungszeitraum die künstlich beleuchtete Fläche auf der Erde um 9,1 Prozent zugenommen. Erstaunlich dabei: Sogar die schon bereits beleuchteten Flächen wurden um 2,2 Prozent heller! Angeführt wird diese Zunahme von asiatischen und südamerikanischen Ländern, das europäische und amerikanische Beleuchtungsniveau ist hingegen nur minimal gestiegen.
Während dadurch die natürliche Dunkelheit immer mehr schwindet, schlagen auch Naturschützer und Ärzte Alarm: Der natürliche Hell-Dunkel-Zyklus aller Lebewesen und Pflanzen wird gestört. Vor allem die Beleuchtung mit Licht im blauen Bereich – im dem LEDs besonders stark emittieren – schadet dabei den natürlichen Zyklen von Organismen.
Dennoch plädieren Wissenschaftler nicht strikt gegen den Einsatz der modernen LED-Beleuchtung. Der Grund: LEDs bieten eine enorme Flexibilität. So können sie beispielsweise in ihrer Farbigkeit gut angepasst und der blaue Lichtanteil entfernt werden, wie es bereits in ausgewiesenen Schutzgebieten des Nachthimmels passiert.