Der Neue: STEVE
Aurorae – so die Mehrzahl der faszinierenden Himmelslichter, auch bekannt als Polarlichter – sind wahrhaft sagenhafte Erscheinungen. Wenn in der (meist) eisigen Dunkelheit plötzlich weiße, grüne, rote oder bläulich-violette Lichter den Himmel erhellen, kann man sich der Magie des Schauspiels nicht entziehen. Bevor die Menschen allerdings im 18. Jahrhundert begannen, die Himmelslichter gezielt zu erforschen, galten sie in vielen Kulturen als Omen oder Boten eines drohenden Schicksals. So ist in historischen Aurora-Beobachtungen – die älteste Überlieferung ist übrigens sehr genau auf die Nacht vom 12. auf den 13. März 567 v. Chr. in Babylon datiert – stets auch eine Interpretation der Lichter angegeben: Während z.B. Völker in Sibieren oder Lappland in Aurorae eine Warnung ihrer Götter vor drohendem Unglück sahen und rote Polarlichter als umherwandelnde Tote interpretiert wurden, sahen die Wikinger darin die reitenden Walküren, die nach geschlagener Schlacht über den Himmel ritten, um die rumreichen Helden auszuwählen, die mit Odin an seiner Tafel speisen durften. In asiatischen Beschreibungen ist weiterhin oft die Rede von über den Himmel ziehenden Drachen oder Heerscharen, die ihrerseits vor drohenden Kriegen, Seuchen oder Hungersnöten warnten.
Erst mit der Überwindung des Mittelalters und dem Wiederaufleben der Wissenschaften versuchten die Menschen, natürliche Erklärungen für diese mystischen Himmelserscheinungen zu finden, bis schließlich Edmond Halley als vermutlich Erster den Zusammenhang mit dem Erdmagnetfeld erkannte. Kristian Birkeland war es, der 1896 erstmals die Theorie veröffentlichte, dass von der Sonne ausgesandte Teilchen die Gase der Erdatmosphäre zum Leuchten anregen und so für Polarlichter verantwortlich sind. Und so entzauberte die Wissenschaft wie so oft ein Phänomen der Natur – bis jetzt. Denn nun wurde eine neue rätselhafte Entdeckung gemacht, die oftmals zusammen mit Aurorae beobachtet wird.
STEVE – Strong Thermal Emission Velocity Enhancement – ist erfahrenen Polarlichtbeobachtern schon lang bekannt, doch erst in den letzten zwei Jahren widmeten sich auch Wissenschaftler dem Leuchten. Doch bis heute gibt es keine vollkommen zufriedenstellende Theorie zur wahren Natur von STEVE. In einer Veröffentlichung in Geophysical Research Letters vom 20. August 2018 wird jedoch eines klar: STEVEs Natur unterscheidet sich deutlich von der einer Aurora.
Mit Hilfe von Daten des National Oceanic and Atmospheric Administration’s Polar Orbiting Environmental Satellite 17 (POES-17), der im Jahr 2008 über ein Areal in Kanada flog, während STEVE dort beobachtet werden konnte, und THEMIS, einer Kamera auf der Erde, die Aurora-Aktivitäten beobachtet, konnte bestätigt werden, dass die Aurora verursachenden Teilchen in der Ionosphäre der Erde nicht die Ursache für STEVE sind. Vielmehr vermuten die Wissenschaftler, dass schnelle Ionenströme und ultrahocherhitzte Elektronen einen sogenannten SAID (sub-auroral ion drift) verursachen, der die geladenen Teilchen auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt. Dennoch weicht STEVE auch von dieser Theorie leicht ab, da ein SAID bisher noch nie mit bloßem Auge beobachtet werden konnte. Zudem weist STEVE extreme Temperaturspitzen auf, die ebenfalls untypisch für SAIDs sind. Basierend auf dieser Theorie sprechen andere Forscher von einem Airglow- oder Skyglow-Phänomen.
Von weiteren Beobachtungen der Teilchenaktivität und weiteren Eigenschaft von STEVE erhoffen sich die Forscher nun, nicht nur mehr über das mysteriöse Leuchten zu erfahren, sondern auch, die Erdatmosphäre und ihre Prozesse im Ganzen besser zu verstehen.